Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt
von Follow the Rabbit nach Peter Handke
eine Performance im Rahmen der Kunst im Stollen Reihe
Für Erwachsene!
»Darf ich darin mein Brot einwickeln?«
– »Aber das ist doch der Schnee.«
Peter Handke, geboren am 6. Dezember 1942 in Griffen, Kärnten, gehört zu den bekanntesten deutschsprachigen Autoren. Sein Theaterstück „Publikumsbeschimpfung“, 1966 während seiner Zeit in Graz verfasst, gilt als Gründungswerk der Postdramatik.
„Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“, erschienen 1969, ist eine Sammlung von Texten, die sich mit Begriffsschablonen auseinandersetzt, mit der Wahrnehmung der Welt, mit der Entfremdung zwischen Subjekt und Umwelt. Handke betrachtet darin kritisch die leichtfertige Verwendung von Worten, Begriffen, wie auch den voreiligen Wahrheitsanspruch in Beschreibungen. Das Subjekt, scheinbar sicher verhaftet in dessen alltäglicher Begriffswelt, bleibt in der Welt, wird jedoch von Handke fortwährend mit neuen Perspektiven auf das scheinbar Eindeutige ausgestattet.
Follow the Rabbit setzt ausgewählte Texte des Kultbuches im Innern des Schloßerges um. Wie Handkes Texte ist auch diese Performance multiperspektivisch: Wer will, kann die Aufführung wahrnehmen als sinnlichen Trip in eine surreale Sprach- und Umwelt. Gleichzeitig kann man sich beliebig tief hineinbegeben in die philosophischen Ebenen darunter: Wahrheit, Wirklichkeit, Realität, Fiktion, ich, du, wir, sie – alles wird befragt. Die Antworten gibt’s in den Stunden, Tagen, Jahren nach der Vorstellung.
Die Inszenierung im Rahmen von Kunst im Stollen findet in einem 800 Meter langen, mit Schienen verlegten Stollen des Grazer Schloßberges statt, der für gewöhnlich von der Grazer Märchenbahn genutzt wird.
Das Publikum begibt sich ins Stadtzentrum zum Schloßberg, betritt ihn, setzt sich in die Waggons einer Schmalspurbahn und wird vom Performer Martin Brachvogel hineingefahren in eine Welt, die rein gar nichts mehr zu tun hat mit der Großstadt, aus der sie gerade kommen – in deren Zentrum sie sich aber nach wie vor befinden. An diesem „Unort“, jenseits der üblichen Bezugspunkte einer Stadt, eines Theaterortes, können Handkes Texte losgelöst von jeder örtlichen Widmung nackt, für sich selbst stehend ausgesprochen werden. Das gipfelt in Phasen absoluter Dunkelheit, in denen nur noch das Wort existiert.
Mit dem Format Kunst im Stollen nutzt Follow the Rabbit die Grazer Märchenbahn als Ort für künstlerische Experimente, und öffnet so neue Erfahrungsräume.
Dauer ca. 50 Minuten
Warme Kleidung erforderlich!
Zum Teil in absoluter Dunkelheit!
mit Martin Brachvogel
künstlerische Leitung: Nadja Brachvogel
Bühne: Follow the Rabbit
In Kooperation mit: Die Grazer Märchenbahn
Pressestimmen
»Kunst im Stollen
Mit Handke auf Schiene
Ratternd geht es ins dunkle Sprachreich.
Dass sich Follow the Rabbit beim Experiment „Kunst im Stollen“ für den frisch gekürten Literaturnobelpreisträger entschieden hat, gerät zum Glückszufall. Dass Peter Handkes vor 60 Jahren erschienener Kultband „Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“ Märchenbahn-Zugführer Martin Brachvogel als Logbuch der Dschungel-Expedition ins verwirrend fremde Reich der Sprache dient, ist kongenial. Mit den Sätzen auf Schiene geht es durch den Schlund des Grazer Schloßbergs. Rattern und völlige Dunkelheit verwehren den „Veränderungen im Laufe des Tages“ jegliche Ablenkung: „Verwechslungen“ bohren sich als kindliches Fragespiel ins Ohr; „Die Einzahl und die Mehrzahl“ werden in einer Kaffeehaus-Szene serviert. Und „Die Reizwörter“ überziehen Identität mit Oberbegriffen: „jedes Wort / ist ein Reizwort“. Famos reizt Brachvogel Nähe und Ferne aus, macht Blumenvideos zu Deckenfresken, spielt Musik ein und performt die Auswahl aus den 42 Texten am bildlich idealen Ort.«
Kleine Zeitung, 6. November 2019
»Schloßbergstollen: Follow the Rabbit
Handke im Dunkeln
Mit „Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“ erkundet die Theatergruppe Follow the Rabbit im Grazer Schloßbergstollen Peter Handkes Sprachkunst. Dabei überzeugt Martin Brachvogel nicht nur als gewissenhaftes Sprachrohr des Dichters, sondern auch als risikofreudiger Lokführer der Märchenbahn.
Im 1969 erschienen, immer noch höchst erfolgreichen Kompendium „Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“ vereint Peter Handke eine Reihe kurzer Prosatexte, Gedichte und Fundstücke. Da konnten Martin und Nadja Brachvogel von Follow the Rabbit aus dem Vollen schöpfen. Und sie trafen eine so kluge, wie für die besondere Atmosphäre des Stollens wirkungsvolle Auswahl.
Zuerst ging es mit dem Märchenzug im Retourgang und teilweise halsbrecherischen Tempo in die Tiefe des Berges. In die vollkommene Dunkelheit wurde man von einer Textcollage vom Band begleitet, der man nur einige Wortfetzen entnehmen konnte. Bei kleinen Zwischenstopps warteten dann wunderbare Selbstdefinitionen vom Großmeister der Sprachkunst, unaufgeregt und deshalb umso eindringlicher serviert von Martin Brachvogel.
Erst spät gab es ein wenig Licht für eine fast schon absurde Szene, die die kritische Selbstbefragung des Autos untermalt. Ein höchst gelungener Abend in der Reihe „Kunst im Stollen“, bei der den Besuchern einmal mehr warme Kleidung ans Herz gelegt wird. Zu sehen bis Ende November.«
Kronen Zeitung, 6. November 2019