He for She (UA)

von Nadja Brachvogel
He for She
© Follow the Rabbit

»Wenn Sie also lieber einen 1,84 Meter Mann mit einer sonoren Stimme wollen als eine kleine Dicke mit hoher Frequenz, dann sollen Sie das auch bekommen.«

Was passiert, wenn eine Frau feministische Themen durch ihren Mann verhandelt? Wenn jedes seiner Worte ihre Worte sind, jede seiner Handlungen ihren Anweisungen entspricht? Kann ein Mann eine Frau repräsentieren? Oder tut er das vielleicht sogar besser als sie selbst? In dieser Performance ist das Medium das Gegenteil der Message. Aber heißt es nicht, das Medium sei die Message? Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Oder hat da unser Verstand doch noch ein Wörtchen mitzureden? Was passiert, wenn Pode und Antipode miteinander verschmolzen werden? Fliegt alles in die Luft? Lassen sich Mann und Frau überhaupt unabhängig voneinander betrachten? „He for She“ ist ein Gender-Experiment, eine Provokation für Männer wie für Frauen, eine psychosoziale Störaktion, die in unseren Erwartungshaltungen wühlt.

He for She
© Clemens Nestroy
He for She
© Clemens Nestroy

Nadja Brachvogel über ihre Arbeit an „He for She“
»Manchmal erschien es mir schon wie ein Running Gag: unser ominöses Projekt, an dem wir lange Zeit zunächst heimlich gearbeitet hatten und das wir mit diebischer Freude „Geheimprojekt Delta“ nannten. Es ging zunächst nur darum, einer verrückten Idee nachzuspüren: Was würde passieren, wenn Martin mich spielen würde? Aber ohne sich zu verstellen. Wenn er sich zu meinem Medium, zu meinem Sprachrohr machen würde? Wenn ich durch ihn über ihn sprechen würde? Über unser Verhältnis? Über mich und meine Lebenswelt als Frau, die eine andere ist als die seine?

An meiner Frauenwelt kann er niemals teilhaben, denn er steckt nun mal in seinem Martin-Brachvogel-Männer-Körper. Er hat mir seinen Körper, seine Stimme, seinen Habitus geborgt. Aber vor allem habe ich mir die Art, wie er wahrgenommen wird, geborgt: Attraktivität, Kompetenz, Status, alles. Ich wollte dem Frauenkörper für eine Weile entfliehen. Denn was erwartet man schon von einem Frauenkörper? Dass er „Frauendinge“ sagt, Dinge wie Gleichberechtigung, Frauenarzt und Slipeinlage. Ich wollte schauen, was mit diesen Inhalten passiert, wenn man sie in einen Männerkörper packt.

Jetzt kommt es mir fast vor, als könnte er mich viel besser repräsentieren als ich mich selbst… Aber das liegt vielleicht daran, dass ich eine Frau bin? Wie auch immer. Wir haben uns entschlossen, dieses seltsame Experiment zu veröffentlichen. Diese Gender-Verwirrung. Diesen maskulinen Ausdruck von Weiblichkeit. Dieses sehr persönliche feministische Manifest. Diese Liebeserklärung.«

Zur Zeit keine Vorstellungen.

Dauer ca. 80 Minuten

He for She
© Clemens Nestroy
He for She
© Clemens Nestroy

Repräsentant von Nadja Brachvogel: Martin Brachvogel
Kostüm: Ralph Heigl
Video: Andrea Schabernack
Technische Einrichtung: Moke Rudolf-Klengel
Regie und Text: Nadja Brachvogel

Outside Eyes: Edith Draxl, Victoria Fux, Verena Kiegerl, Monika Klengel,
Christina Lederhaas, Dominik Müller, Sylvia Münzer

Eine Produktion von Follow the Rabbit

Pressestimmen

»Die Gruppe „Follow the Rabbit“ zeigt „He for She“ im Theater im Bahnhof in Graz
Eine Frau mit männlicher Stimme
Ein Stück über Weiblichkeit als Solo für einen männlichen Darsteller – kann das funktionieren? Und wie! Das beweist die Grazer Gruppe „Follow the Rabbit“ mit dem Stück „He for She“. Nadja Brachvogel nutzt in ihrer letzten Regiearbeit ihren Mann Martin Brachvogel als Medium für ihre Botschaften. Das Resultat ist smart, humorvoll und berührend. 

„Martin macht das gern“, sagt Martin, während er in Unterwäsche die Strümpfe seiner Frau Nadja stopft. An diesem Abend wird Martin noch viel über Martin sprechen – und doch nie wirklich zu Wort kommen. Denn jedes Wort, das er äußert, hat ihm Nadja in den Mund gelegt – das ist der Clou dieses Stücks: Eine Frau benutzt hier ihren Mann als Medium für ihre Botschaften.
Die Frage nach dem warum ist traurigerweise einfach zu beantworten: Einen Mann im Anzug mit sonorer Stimme nimmt man in unserer Gesellschaft halt immer noch ernster als eine „kleine dicke mit hoher Frequenz“.
Also spricht Martin – als Nadja: über ihre körperliche Entwicklung (inklusive Busengrapscher-Statistik) und das Zweifeln an ihrem Wert als Künstlerin, über ihr Hadern mit der Kinderfrage und dem Frausein per se. Und immer wieder bringt sie auch Krisen der Beziehung aufs Tapet – an einigen davon war Martin offensichtlich nicht ganz unschuldig.
Das humorvolle Spiel mit „diesem Mann-Frau-Ding“, das einen als Zuseher dazu zwingt, konstant die Perspektive zu wechseln, ist nur ein Teil des Charms dieser Produktion. Auf berührende Weise arbeitet Nadja Brachvogel sich anhand ihrer Biografie an den gesellschaftlichen Bedingungen des Frauseins ab. Es ist die erste Regiearbeit einer der herausragenden Figuren der freien Szene in Graz – und Brachvogel entwickelt ihre eigene Stimme als Künstlerin, indem sie die Stimmbänder ihres Mannes nutzt. Unbedingt anschauen – noch zusehen von 26. bis 29. Februar.«

Kronen Zeitung, 17. Februar 2020

 

»Gender-Stück mit Klasse
„He for She“ mit viel emanzipatorischem Mut.

Martin spielt Nadja. Die beiden Brachvögel drehen in „He for She“ die Welt um.
Das ist an Gerd Brantenbergs „Die Töchter Egalias“ erinnernd zum Lachen – und zum Heulen, wenn es im sehr persönlichen Gender-Experiment neben Selbstironie und heiteren Hochzeitserinnerungen um Busengrapscher, Pöbeleien übers Aussehen, Kinderwunsch und die immer noch an jeder Ecke spürbar patriarchale Oberhand geht, untermauert mit Zitaten von Simon de Beauvoir.
Ein harter Brocken für den Ehemann und fantastischen Schauspieler von „Follow the Rabbit“, der im Vulva Kostüm (Ralph Heigl) und unten ohne den Vogel abschießt.
Exzellent gemacht und emanzipatorisch mutig ist Nadja Brachvogels Selbst-Inszenierung im Theater im Bahnhof. Die krönt Andrea Schabernacks passgenau auf ein Ganzkörperkostüm projizierter Frauenfilm zum Finale. Trotz vieler Krisen und Fragen eine sprühend unterhaltsame Hochglanz-Produktion.«

Kleine Zeitung, 17. Februar 2020

He for She
© Follow the Rabbit